Die Berliner Erklärung von 1909 war eine deutliche Abgrenzung der pietistischen Gemeinschaftsbewegung gegenüber der jungen Pfingstbewegung in Deutschland. Zwar hatte die Azusa-Street-Erweckung in Los Angeles (1906) den weltweiten Funken gelegt, doch die eigentliche Herausforderung für die deutschen Kirchenführer war die rasche Ausbreitung pfingstlicher Versammlungen in Kassel (1905) und Mülheim an der Ruhr (1907). Unter der Leitung von Persönlichkeiten wie Walter Michaelis (Präses des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes), Georg von Viebahn (preußischer General), Otto Stockmayer (Theologe der Heilungsbewegung), sowie den Pastoren Seitz und Wittekind wurde am 15. September 1909 im Hospiz St. Michael in Berlin die Erklärung verabschiedet. Sie bezeichnete die pfingstlichen Phänomene als „nicht von oben, sondern von unten“ und markierte damit einen tiefen Bruch zwischen Pfingstlern und der Gemeinschaftsbewegung.
Die Berichte aus Kassel und Mülheim zeigen jedoch den Enthusiasmus und die geistliche Kraft, die viele Christen damals erlebten. In Kassel wurde 1905 festgehalten: „Wir haben den Heiligen Geist erfahren in einer Weise, die uns mit unaussprechlicher Freude erfüllte; Zungenrede und prophetisches Wort waren Zeichen seiner Gegenwart.“ Zwei Jahre später in Mülheim schrieb ein Teilnehmer: „Die Versammlung war von einer solchen Kraft durchdrungen, dass viele in Tränen ausbrachen und Heilung empfingen. Es war, als ob der Himmel selbst die Gemeinde berührte.“ Diese Zeugnisse spiegeln den Geist der Bewegung wider, der von unmittelbarer Erfahrung und übernatürlicher Bestätigung geprägt war.
Gerade diese Berichte führten zu Spannungen mit den pietistischen Leitern, die in der Berliner Erklärung ihre Sorge artikulierten. Michaelis und von Viebahn sahen in den ekstatischen Erscheinungen eine Gefahr für die Reinheit des Evangeliums. Stockmayer, selbst mit der Heilungsbewegung vertraut, warnte vor einer Vermischung von seelischen und geistlichen Kräften. Die Erklärung war daher nicht nur eine theologische Stellungnahme, sondern auch ein Versuch, die Gemeinschaftsbewegung vor Spaltung und Irritation zu bewahren. Sie stellte klar, dass die Pfingstbewegung nicht als Fortsetzung der pietistischen Erweckung verstanden werden sollte.
Die Folgen waren gravierend: Jahrzehntelang blieb die Kluft zwischen Pfingstlern und Gemeinschaftsbewegung bestehen. Pfingstgemeinden entwickelten sich eigenständig, während die pietistischen Verbände Distanz hielten. Erst mit der Kasseler Erklärung von 1996 kam es zu einer offiziellen Versöhnung zwischen dem Gnadauer Verband und der Pfingstbewegung. Damit wurde der Bruch von 1909 symbolisch geheilt, doch die Berliner Erklärung bleibt bis heute ein Dokument, das die Spannung zwischen Erneuerung und institutioneller Ordnung in der deutschen Kirchengeschichte sichtbar macht.
Der Unterschied zwischen der deutschen und der internationalen Pfingsbewegung
Die amerikanische und internationale Pfingstbewegung entwickelte eine besondere Ausrichtung, die sich deutlich von der deutschen Pfingstkirche unterscheidet. Ein zentraler Grund liegt in den unterschiedlichen historischen und theologischen Rahmenbedingungen: Während die Bewegung in den USA aus der Azusa-Street-Erweckung hervorging und stark missionarisch geprägt war, blieb die deutsche Pfingstbewegung stärker eingebunden in evangelikale Traditionen und die kirchliche Landschaft.
Es kam zu einem Unterschied zwischen der Pfingstkirche in Deutschland und der internationalen Bewegung. Die Azusa-Street-Erweckung von 1906 in Los Angeles brachte eine neue Dynamik hervor: Menschen aus verschiedenen sozialen und kulturellen Hintergründen erlebten Zungenrede, Heilungen und eine intensive Gemeinschaft, die soziale Grenzen überwand. Daraus entstand eine weltweite Pfingstbewegung, die in den USA und später in Lateinamerika, Afrika und Asien stark wuchs. Besonders die Oneness-Pfingstler entwickelten eine eigene Richtung, die die Einheit Gottes betont und die klassische Trinitätslehre ablehnt.
Die United Pentecostal Church International (UPCI) ist heute die größte Organisation dieser Oneness-Bewegung. Sie vertritt die Überzeugung, dass für das Heil nicht nur Glaube und Umkehr nötig sind, sondern auch die Taufe im Namen Jesu und das Sprechen in Zungen. In ihrem Glaubensbekenntnis heißt es: „Wir glauben, dass die Lehre der Dreieinigkeit nicht biblisch ist, sondern eine spätere menschliche Konstruktion. Gott ist absolut einer, und Vater, Sohn und Heiliger Geist sind Manifestationen dieses einen Gottes.“ Diese klare Ablehnung der Trinität unterscheidet die Oneness-Pfingstler von den meisten anderen christlichen Kirchen.
Der Grund für die andere Ausrichtung in Deutschland liegt in der engen Verbindung der Pfingstbewegung mit evangelikalen und freikirchlichen Traditionen. Deutsche Pfingstgemeinden orientierten sich stärker an lutherischen, baptistischen und methodistischen Einflüssen und blieben damit trinitarisch geprägt. Dadurch entstand eine pluralistische, weniger zentralisierte Pfingstlandschaft, die sich von der klaren Linie der UPCI unterscheidet.
Im Vergleich zu Brüdergemeinden und charismatischen Gemeinden zeigt sich die Eigenart der Oneness-Bewegung noch deutlicher. Brüdergemeinden betonen Bibeltreue und einen schlichten Lebensstil, verzichten aber auf ekstatische Formen wie Zungenrede. Charismatische Gemeinden teilen die Betonung der Geistesgaben, sind jedoch trinitarisch und oft in bestehende Kirchen eingebunden. Die Oneness-Pfingstler stehen damit zwischen diesen Strömungen: ähnlich streng wie Brüdergemeinden im Lebensstil, ähnlich begeistert wie Charismatiker in der Spiritualität, aber mit einer einzigartigen dogmatischen Abgrenzung durch ihre Lehre von der Einheit Gottes.
Fazit: die amerikanische und internationale Pfingstbewegung, besonders die Oneness-Richtung, hat eine besondere Ausrichtung, die sich von der deutschen Pfingstkirche und anderen Freikirchen deutlich unterscheidet.
